Bedrohlicher Mietanstieg im laufenden Jahr

Nachdem Mieterinnen und Mieter in der Schweiz bereits über die letzten 15 Jahre aufgrund illegal hoher Mieten 10 Milliarden Franken zu viel bezahlt haben, müssen sie 2023 mit einem weiteren rasanten Anstieg der Mieten rechnen. Expert:innen gehen von Mieterhöhungen zwischen 3.5 und 4 Prozent aus, je nach Region sogar von bis zu 6 Prozent. Während in Spanien eine Mietpreisbremse die Kaufkraft schützen soll, bleiben ähnliche Massnahmen in der Schweiz bisher aus.

Zum ersten Mal seit 15 Jahren wird der Referenzzinssatz 2023 steigen. Die UBS rechnete im vergangenen Jahr mit einer Anhebung von 1.25 auf 1.5 Prozent. Das trifft vor allem auch bestehende Mietverhältnisse und kann zu höheren Mietkosten führen. Sowohl die Grossbank UBS wie auch der Mieter:innen-Verband gehen davon aus, dass die Mieten deshalb bis Ende 2023 um 6 Prozent ansteigen werden. Wer heute für seine Wohnung 2600 Franken im Monat bezahlt, würde damit pro Jahr 1800 Franken mehr bezahlen.

Die Nettomiete darf allerdings nur dann erhöht werden, wenn die aktuelle Miete auch tatsächlich auf Basis des aktuellen Referenzzinssatzes berechnet wurde. Denn dieser ist in den vergangenen Jahren stets gesunken, wurde aber nicht immer an die Mieter:innen weitergegeben. Laut der leitenden Immobilien-Expertin bei der ZKB, Ursina Kubli, dürfte dies bei der Hälfte der bestehenden Mietverhältnisse der Fall sein. Es lohnt sich für Mieter:innen also, allfällige Mietzinserhöhungen, die ab März 2023 in die Briefkästen flattern könnten, genau anzuschauen und gegebenenfalls anzufechten.

Höchster Anstieg der Angebotsmieten seit 2009

Gemäss dem aktuellen Homegate-Mietindex kennen die Mietzinsen nur eine Richtung: nach oben. Obschon diese Entwicklung seit 2009 besteht, gilt 2022 als Rekordjahr. Im Schweizer Durchschnitt sind die Angebotsmieten um 2.8 Prozent gestiegen, mehr als in allen bisherigen Jahren seit Beginn der Erhebung 2009. Einzelne Kantone und Städte verzeichnen teilweise noch deutlichere Teuerungen von über 6 Prozent. Die höchste Steigerung wurde im Kanton Graubünden mit 6.7 Prozent erhoben. Dies auch aufgrund der hohen Nachfrage nach Ferienwohnungen, was zu steigenden Mieten in den Bergregionen und insbesondere im Bündnerland führte.

Massnahmen gegen Kaufkraft-Verlust finden keine Mehrheit

Während Spanien gegen den Kaufkraft-Verlust der Mieterinnen und Mieter mit einer Mietpreisbremse vorgeht – zulässig sind dort nur Erhöhungen von maximal 2 Prozent –, gehen die Mieter:innen in der Schweiz bisher leer aus. Ein Deckel für die Nebenkosten wurde zwar von den Sozialdemokrat:innen beantragt, fand aber im Parlament keine Mehrheit. Auch eine periodische Renditerevisionspflicht, um den gesetzlichen Zustand bei den Mieten herzustellen, fand bisher keine Mehrheit. Dies, obschon die Mietenden gemäss Studie des Mieter:innen-Verbandes in den letzten 15 Jahren 10 Milliarden Franken zu viel bezahlt haben.

1 Kommentar

  1. Die Vorstellung eines funktionierenden Marktes geht von der Prämisse aus, daß Marktgüter keine sogenannten Externalitäten (negative wie positive) aufweisen, und daß der Handel zwischen Käufer und Verkäufer keine Dritten tangiert. Diese Prämisse gilt jedoch in vielen Fällen nicht; wir reden dann von einem Marktversagen. Dieses Marktversagen wird viel zu wenig thematisiert (auch von linken Ökonomen) und die ökonomische Theorie wird kaum angepasst.

    Güter mit negativen Externalitäten sind z.B. solche, die (während ihrer Produktion oder ihrem Gebrauch) Emissionen produzieren, deren Kosten der Allgemeinheit aufgebürdet werden (die Kosten sind viel zu tief und regen so zu einem Überkonsum an). Öl und sein CO2-Ausstoß, der zu Global Warming führt, ist ein Beispiel hierfür. Die ökonomische Zunft macht viel zu wenig, um eine wasserdichtere Theorie vorzulegen, wie ein Modell aussehen könnte, so daß diesem Überkonsum begegnet werden — bzw. wie eine Substituierung von „schlechtem“ Gut zu „gutem“ Gut vonstatten gehen — könnte.

    Aber auch positive Externalitäten (die in diesem Artikel angesprochen werden), werden nicht richtig behandelt. Immobilien sind kein ideales Marktgut, weil der Besitzer oft von Externalitäten profitiert, für die die Gesellschaft zuständig ist: wir sprechen dann von Agglomerations-Ökonomien. Agglomerations-Ökonomien entstehen in attraktiven Gegenden, deren Attraktivität weitgehend durch die Gesellschaft selbst produziert worden ist: durch gute Schulen, Theater, attraktive Geschäfte, öffentlicher Verkehr, et cetera. Diese Agglomerations-Ökonomien führen dann zu Wertsteigerungen und werden weitgehend privat abgeschöpft. Es kommt zu einer Umkehrung unserer Vorstellungen über die Umverteilung innerhalb eines Sozialstaates. Im normalen Sinn bedeutet diese eine Umverteilung der Einkommen, von den besser Verdienenden zu den finanziell schlechter gestellten Bürgern. Bei den Immobilien subventionieren die Bürger der geringeren Einkommen (die sich keine Immobilie leisten können) die Einkommen der finanziell besser gestellten Bürger (und die der Pensionskassen, der Immobilienfonds, etc.).

    Daß diese Agglomerations-Ökonomien privat abgeschöpft werden läßt sich leicht demonstrieren. Baut man heute eine identische Immobilie sowohl in einer attraktiven Stadt als auch in der fernen Peripherie, dann ist die Immobilie in der Stadt rund 30-100% teurer als jene in der Peripherie: dieses „mehr“ wird dann abgeschöpft (manchmal auch in einem mehrstufigen Prozess). Genossenschaften versuchen dieser Abschöpfung zu entgehen (mehr oder minder), aber die anderen Akteure profitieren von einer Abschöpfung und einer (ungerechten) Situation. Die ökonomische Zunft widmet sich kaum dieses Mißstandes, und die linken Parteien auch kaum.

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